Presse 2004-03-23 Frankfurter Urteile sind eine Mogelpackung der Gemeinde

Pressemitteilung 23.3.2004 - Frankfurter Urteile sind eine Mogelpackung der Gemeinde!


Nachdem am 22.01.2004 vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt alle 4 Klagen im Musterverfahren der IdBiS gegen die Gemeinde Sinntal abgewiesen wurden, wurden nun die Begründungen der Urteile vom Gericht zugestellt, durch die IdBiS-Anwälte analysiert und nachfolgend kommentiert:

Nachdem das VG Frankfurt bereits im letzten April zwei Altengronauer Bürgern zu ihrem Recht verholfen hatte, und der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im Oktober diese beiden Urteile bestätigte, waren der Gemeinde Sinntal durch diese Urteile die begangenen Fehler, die schon seit drei Jahren immer wieder von der IdBiS angeprangert wurden, ganz klar aufgezeigt worden.
Gleichzeitig wurde ihr dadurch ein Weg aufgezeigt, wie es möglich sein könnte, die noch ausstehenden etwa 70 Prozesse zu gewinnen.
Diese Möglichkeit hat die Gemeinde konsequent zu ihren Gunsten genutzt und durch nachträgliche Veränderung der kompletten Kalkulation der Beitragssätze, zumindest vordergründig alle Fehler beseitigt.

Der VGH in Kassel hat seinerzeit ganz klar erklärt, daß die Gemeinde rechtswidrig handelte, als sie die entstandenen Kosten für die „Vollkanalisation“ im Klärbezirk Jossa alleine auf die Bürger in diesem Bezirk umlegte.
Auf Grund der Tatsache, daß kein einziger Sinntaler Ortsteil vorher für eine solche Maßnahme zur Kasse gebeten wurde, verlangte das Gericht eine Umlegung aller Kosten aus ganz Sinntal auf alle Grundstücke in ganz Sinntal und so wörtlich „eine gleichmäßige Belastung sämtlicher Anlieger“.
Dieser Aufforderung ist die Gemeinde Sinntal insoweit nachgekommen, daß die neu vorgelegte Kalkulation jetzt alle Kosten aus ganz Sinntal kalkulatorisch auf alle Grundstücke in ganz Sinntal umlegt.
Der Aufforderung des Gerichtes, alle Anlieger gleichmäßig zu belasten ist sie jedoch nicht nachgekommen, was das Gericht in seiner jetztigen Entscheidung jedoch anscheinend nicht interessierte.
Will die Gemeinde bis zur Revisionsverhandlung diese gerichtliche Auflage erfüllen, ist sie verpflichtet, in den nächsten Monaten jedes Grundstück in Sinntal mit ca. DM 4,40 pro qm an Beiträgen für die „Vollkanalisation“ zu belegen, so wie dies im Klärbezirk Jossa bereits im November 2000 geschehen ist. (Unter Umständen könnte sich der Betrag auch auf 6,88 DM/qm ausweiten, weil die Umlegung der Kläranlage Jossa nach den gleichen Maßstäben zu erfolgen hat!)
Daß sich die Bürger in den dann neu belasteten Ortsteilen, zu Recht, dagegen wehren werden, ist vorprogrammiert und wird dann endlich die Unrichtigkeit der gesamten Vorgehensweise ans Tageslicht fördern, weil auch dieser Weg der neuen Kalkulation der Falsche ist.


Die IdBiS jedenfalls steht in den Startlöchern, um den dann Betroffenen die gleiche Unterstützung zukommen zu lassen, wie sie dies bereits seit über drei Jahren im Klärbezirk Jossa tut.

Außerdem war es interessant, festzustellen, daß die Gemeinde mit ihrer neuen Kalkulation erstmalig einen Großteil ihrer Fehler, die sie jahrelang bestritten hatte, nun letztendlich zugeben mußte.
So hatte die IdBiS beispielsweise immer wieder behauptet, daß die Grundstücksfläche in Sinntal von der Gemeinde um ca.700.000 qm zu niedrig angesetzt wurde, was natürlich stes bestritten wurde.
Die dem Gericht vorgelegte neue Kalkulation zeigt nun jedoch bereits einen „Flächenzuwachs“ von über 400.000 qm, was immerhin einen Zuwachs von etwa 10 % der Gesamtfläche Sinntals bedeutet.
Weiter wurde von der IdBiS immer wieder behauptet, daß in den Kalkulationen nicht alle in Anspruch genommenen Fördermittel abgezogen wurden.
In der neuen Kalkulation hat sich auch dieser Punkt bestätigt.
Die Summe der abzuziehenden Fördermittel hat sich gegenüber der alten Kalkulation erhöht.
Die IdBiS beklagte stets, daß als Grundlage eines rechtsfesten Beitragsatzes ein von der Gemeindevertretung verabschiedetes Bauprogramm zwingend erforderlich sei, was jedoch von der Gemeinde als unwahr bezeichnet wurde. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, nachträglich ein solches Bauprogramm zu beschließen und dem Gericht vorzulegen ! Daß abweichend von der ursprünglichen Beitragssatzkalkulation, die lediglich 8 Baustellen abrechnete, darin dann gleich 18 Baustellen zur Abrechnung gelangten, hat weder den Gemeindevorstand noch die Gemeindevertretung nachdenklich gestimmt.
Der von der IdBiS stets angeprangerte fehlende Abzug von Straßenentwässerungsanteilen und der fehlende Abzug des gemeindlichen Eigenanteiles wurden ebenfalls indirekt bestätigt.

Der Trick der Gemeinde lag darin, dem Gericht wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung komplett neue Beitragssatzkalkulationen vorzulegen, die so hingerechnet waren, daß die neu errechneten Beiträge durchschnittlich 30 bis 40 % höher lagen, als die tatsächlich in der Satzung verankerten Beitragssätze. Somit war die Argumentation möglich, daß die von der IdBiS angeprangerten fehlenden Abzüge zwar nicht einzeln aufgeführt, aber in der Realität ja tatsächlich getätigt worden wären, weil man ja niedrigere Beiträge verlangt habe, als die die man eigentlich hätte verlangen können.
Erreicht hat man die rechnerisch höheren Beiträge durch eine Erhöhung der umzulegenden Investitionssumme, in dem man einfach die Zahl der angesetzten Baustellen erhöht hat.
Hierbei hat man billigend in Kauf genommen, oder gar bewußt dafür Sorge getragen, daß in fast allen Beitragsarten Baustellen abgerechnet wurden, die so nicht hätten abgerechnet werden dürfen.
Es ist der IdBiS in der mündlichen Verhandlung sogar gelungen, den Nachweis zu führen, daß zwei Baustellen mit einer Investitionssumme von 500.000,-- DM sogar doppelt, nämlich in zwei verschiedenen Kalkulationen abgerechnet wurden.

Die neuen Kalkulationen gingen drei, bzw. sogar nur einen Tag vor dem entscheidenden Prozeß beim IdBiS-Anwalt per Telefax ein, so daß eine Überprüfung der von der Gemeinde aufgestellten sachlichen Inhalte absolut unmöglich war.
Das Gericht hat sich hier über die Bedenken des IdBiS-Anwaltes, der noch in der mündlichen Verhandlung das Recht auf angemessenes rechtliches Gehör einforderte, hinweggesetzt und trotzdem die neuen Kalkulationen in der Verhandlung verwertet.
Dies ist ein grober Verstoß gegen geltendes Recht und alleine diese Tatsache rechtfertigt bereits die Zulassung einer Revisionsverhandlung, die bereits beantragt wurde.
Das bedeutet, daß demnächst ein weiterer Rechtszug vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel ansteht, und dort wird es uns sicher gelingen, nachzuweisen, daß die Fehler, die bereits in den alten Kalkulationen enthalten waren, genauso in die neuen Kalkulationen übernommen wurden.

Die IdBiS verurteilt die Vorgehensweise der Gemeinde aufs Schärfste.
In ihrem Bestreben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Richtigkeit ihrer Bescheide zu beweisen, bewegt sie sich hart am Rande der Legalität innerhalb eines Rechtsstaates.
Moralische Grenzen hat sie dabei längst überschritten, und es wäre längst an der Zeit, daß die Gemeindevertretung Ihrer Pflicht der Beaufsichtigung endlich nachkommt, um noch mehr Unheil und unnötige Kosten von der Bevölkerung abzuwenden.